Freitagsgebet am 10.10.08; Schura Prinzip
Im Namen Allahs des Allgnade Erweisenden, des Allgnädigen,
Aller Lobpreis Dir, meinem Herren, wie es deiner Erhabenheit gebührt.
Liebe Geschwister,
Heute werden wir über die Schura im Islam sprechen. Da ich kein passendes Synonym für das Wort „Schura“ gefunden habe, werde ich diesen arabischen Begriff einmal kurz erläutern, so dass ich in der ganzen Übersetzung nur noch das arabische Wort „Schura“ verwenden werde.
Schura heißt die gegenseitige Beratung bzw. sich Rat holen beim Treffen von Entscheidungen. Das ist ein Grundprinzip im Islam und sollte in allen Bereichen gelten.
Sei es auf privater Ebene oder aber auch auf der Staats-Ebene. Es ist nicht mit dem Begriff „Demokratie“ zu verwechseln, wobei wiederum die Demokratie als Herrschaftsform auf das Schura Prinzip basiert. Aber Schura ist viel mehr quasi als ein Lebensstil zu verstehen.
Der Prophet s.a. hat dieses Schura-Prinzip in verschiedenen Lebenssituationen angewendet und war stets bereit auf seine Meinung zu verzichten, wenn die Mehrheit anders entschied. So sagte er: „Meine Umma entscheidet sich nicht gemeinschaftlich (nach Schura) für was Schlechtes.“
Und der Prophet hat bewusst dieses Schura Prinzip praktiziert, damit er den Muslimen lehrt, wie sie sich dieses Prinzip als Motto in ihrem Leben nehmen und wie sie ihre Institutionen und ihre Familien führen.
Denn das Schura-Prinzip hat viele Zwecke und es stecken viele Weisheiten darin.
Im Gegensatz dazu sind Entscheidungen, die von einer einzelnen Person getroffen werden, meistens zum Scheitern verurteilt, egal wie schlau oder wissend diese Person ist.
An der Stelle möchten wir paar Zwecke des Schura-Prinzips erwähnen:
1. Bessere Entscheidungen treffen:
Denn es kann sein, dass die Entscheidung einer Person richtig ist, aber die Entscheidung, die eine Gemeinschaft von Menschen gemeinsam trifft besser ist. Und es ist bedauerlich festzustellen, dass einer der Hauptgründe warum wir nicht weiterkommen ist, dass wir dieses Schura Prinzip weder in unserem öffentlichen noch in unserem privaten Leben praktizieren.
2. Autorität und Unterdrückung entgegenwirken:
Denn Schura ist gegen Autorität und Unterdrückung. Leute, die in Machtpositionen stehen und eigenständig Entscheidungen treffen ohne sich mit den anderen zu beraten und abzusprechen, haben nicht unbedingt vom Anfang an die Absicht, die anderen zu unterdrücken und ihre Macht auszunutzen, sondern dieses Gefühl entsteht irgendwann, wenn man feststellt, dass man allein denkt, plant und Entscheidungen trifft. Dieses Gefühl wird auch dadurch gestärkt, wenn die Betroffenen dies zulassen und nichts dagegen unternehmen.
[43:54] So verleitete er (Pharao) sein Volk zur Narrheit, und sie gehorchten ihm. Sie waren wahrlich ein frevelhaftes Volk.
3. Freiheit und Eigeninitiative verbreiten
Damit die Schura funktioniert, muss die Meinungsfreiheit garantiert werden.
Die Schura ist nur dann möglich, wenn die Meinungsfreiheit vor der Schura während der Schura und nach der Schura gewährleistet wird. Denn was bringt mir diese Meinungsfreiheit, während der Schura, wenn ich weiß, dass ich durch meine Meinung später Schaden erleiden muss?
4. Die Fähigkeit zu denken und Inspiration zu stärken
Wenn Entscheidungen nur von bestimmen Personen getroffen werden, ohne dass die anderen Mitglieder beteiligt sind, führt das zur Passivität und zur Ignoranz.
5. Umsetzungs-Vermögen stärken
Bei den Entscheidungen, die durch Schura entstehen, sind die Menschen motiviert sie zu engagieren. Denn diese Entscheidungen sind von den Menschen und für die Menschen.
6. Negative Konsequenzen übernehmen
Es kommt manchmal vor, dass eine Entscheidung, die eine autoritäre Person trifft richtig ist, aber trotzdem kommt es zum Scheitern aufgrund von äußerlichen Umständen. In so einem Fall wirft die Gemeinschaft dieser Person dieses Scheitern vor, obwohl er nichts dafür gekonnt hätte. Wenn aber die Gemeinschaft an der Entscheidung beteiligt gewesen wäre, dann würde die ganze Gemeinschaft die negativen Konsequenzen übernehmen müssen, weil sie die Verantwortung auch mitprägt.
7. Das Ego und die inneren Einflüsse außen vor lassen
Jeder Mensch hat sein eigenes Ego und seine Psyche, die das Treffen von Entscheidungen beeinflusst. Das Schura Prinzip hebt diese Einflüssen auf und sorgt für ein relativ neutrale Entscheidungen.
Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Schura Institutionen manchmal missbraucht werden und nicht den Sinn von Schura erfüllen, so wie es in der Geschichte von Yusuf[1]-Friede auf ihm- der Fall war. Also Schura wird von gerechten Menschen praktiziert, die eine gute Absicht haben und gute Charakterzüge besitzen.
[1] Seine Brüder haben mehrheitlich beschlossen, ihn loszuwerden.